Was sind Cannabinoide?

zuletzt aktualisiert am September 8, 2021 von Maxwell Harris

Die Entdeckung der Cannabinoide und das Endocannabinoid System

1964 erblickte Tetrahydrocannabinol (THC) sozusagen das Licht der Welt, als es von dem israelischen Chemiker Raphael Mechoulam als Wirkstoff der Hanfpflanze entdeckt wurde. In den Jahren danach identifizierte er weitere Substanzen der Pflanze, die er in die gleiche Kategorie einordnete, obwohl sie chemisch betrachtet keiner einheitlichen Stoffgruppe angehören. Aufgrund ihres Ursprungs aus der Cannabispflanze erhielten sie den Namen Cannabinoide.

In der Zwischenzeit sind über 80 dieser Substanzen identifiziert, aber nur THC und Cannabidiol (CBD) kommen in größeren Mengen in der Pflanze vor. Produziert werden die Stoffe auf der Pflanzenoberfläche durch Harzdrüsen. Das Harz dient dem Schutz vor pflanzenfressenden Insekten und vor Pilzbefall. In zahlreichen Laboruntersuchungen konnte Mechoulam schon früh die positiven Wirkungen vor allem von THC im gesundheitlichen Bereich nachweisen. Allerdings fehlte ihm der Nachweis, über welchen Schlüssel, diese Effekte im Körper verbreitet werden. Diesen lieferte Jahre später eine amerikanische Forscherin mit der Entdeckung von Rezeptoren, an denen die Cannabinoide andockten.

Den Wissenschaftlern war sofort klar, dass es im Körper keine spezifischen Strukturen gibt, die ausschließlich auf pflanzliche Stoffe reagieren. Mechoulam selber konnte 1992 folgerichtig körpereigene Substanzen identifizieren, die sich an die Rezeptoren ankoppelten, die Endocannabinoide. Im gleichen Zeitraum haben die Wissenschaftler festgestellt, dass diese spezifischen Synapsen nicht nur vereinzelt, sondern im ganzen Körper verteilt vorkommen, in einigen Regionen mit einer besonders hohen Rezeptorendichte. Damit war das sogenannte Endocannabinoid System entdeckt, obwohl die Funktionsweise bis heute noch nicht bis in alle Details verstanden wird. Bisher sind zwei Rezeptortypen zweifelsfrei identifiziert, der Endocannabinoid Rezeptor 1 (CB 1) und der Endocannabinoid Rezeptor 2 (CB 2).

Diese haben eine hohe Affinität zu bestimmten Endocannabinoiden, die bei Bedarf ausgeschüttet werden und zielgerichtet an ihnen andocken, während THC eher zufällig in Kontakt mit ihnen kommt. CB 1 kommt vor allem im Gehirn und dem restlichen Nervensystem vor, während sich CB 2 auf den Zellmembranen von Immunzellen und Knochen bildenden Zellen findet.

Die Entdeckung von THC führte in den Folgejahren zu einem wahren Hype im Drogenbereich, während CBD und die anderen Cannabinoide lange Zeit unbeachtet blieben. Cannabis wurde zwar schon sehr lange als Droge benutzt, aber erst jetzt war der Stoff identifiziert, der für die Rauschwirkung verantwortlich war. Damit war auch das Interesse der Pharmaindustrie und der medizinischen Forschung geweckt, weil sich ein Wirkstoff herauskristallisierte, der für medizinische Zwecke hochinteressant sein könnte. Aus diesen Aktivitäten resultiert die Entwicklung und Produktion von synthetisch hergestellten Cannabinoiden.

Die verschiedenen Arten von Cannabinoiden

Die Wirkstoffe der Cannabispflanze werden nach ihrer Herkunft auch als Phytocannabinoide genannt. Das grenzt sie nicht nur begrifflich von den körpereigenen Endocannabinoiden und den synthetisch hergestellten Substanzen ab. Vielmehr ist auch die Wirkungsweise der verschiedenen Stoffe sehr diffizil, obwohl viele Zusammenhänge in diesem Bereich noch nicht komplett verstanden sind. Im Moment ergibt sich ein Bild, bei dem sowohl ähnliche und unterstützende, als auch modulierende oder sogar antagonistische Wirkungen an den gleichen Rezeptoren beobachtet werden.

Endocannabinoide

Die bekanntesten Endocannabinoide sind Anandamid (aus dem Sanskritwort Ananda = Glückseligkeit abgeleitet), 2-Arachidonylglycerol (2-AG) und O-Arachidonylethanolamid (Virodhamin). Sie haben starke Affinitäten zu den Endocannabinoid Rezeptoren 1 oder 2 und können dadurch verschiedene Reaktionen in verschiedenen Körperbereichen initiieren. Das können gesundheitliche Effekte sein, aber auch wie im Fall von Anandamid die berauschende Wirkung, die der von THC ähnlich ist. Im Gegensatz zu THC, das bis zu Wochen im Fettgewebe abgelagert wird, zerfällt es aber sehr schnell. Anandamid aktiviert den CB 1-Rezeptor und kann damit Reaktionen im Gehirn und im restlichen Nervensystem hervorrufen. Es kann vom Körper sehr fein abgestimmt werden, so dass die direkten Wirkungen nicht so drastisch ausfallen wie bei THC. Es kann Gefühle wie Freude und Euphorie auslösen, bis hin zu dem von Langläufern beschriebenen „Runners High“. Anandamid interagiert aber auch mit dem CB 2-Rezeptor und ist über diesen Kanal an der Regulierung von Schmerzen und Appetit beteiligt. Eine sehr bedeutende Rolle kommt ihm bei Brustkrebserkrankungen zu. Eine Studie aus dem Jahr 2013 konnte bestätigen, dass durch die Gabe von Anandamid das Brustkrebswachstum verringert werden konnte. Insbesondere reduziert es die Überlebensfähigkeit der Krebszellen. Arachidonylglycerol verbreitet über den CB 1-Rezeptor ähnliche Wirkungen wie Anandamid im Gehirn und Nervensystem. Zusätzlich hat es sich in Tierversuchen bei Hirnverletzungen als neuroprotektiv erwiesen. Über den CB 2-Rezeptor ist es vorwiegend an der Stimulation des Knochenwachstums beteiligt. Virodhamin wirkt im Gehirn antagonistisch zu den anderen beiden Vertretern der Endocannabinoide und kann damit die berauschende Wirkung unterdrücken oder modulieren. Am CB 2- Rezeptor hat es dagegen agonistische Bedeutung.

Phytocannabinoide

Das bekannteste Phytocannabinoid ist zweifellos THC. Das hat natürlich mit seiner psychoaktiven Wirkung zu tun, obwohl diese Einordnung dem Pflanzenstoff nicht gerecht wird. Viele Untersuchungen und kleinere Studien haben auch sein gesundheitliches Potenzial aufgezeigt. Die positiven Effekte bei der Schmerzlinderung und der Entspannung sind bekannt und korrelieren oft mit den bewusstseins- und wahrnehmungserweiternden Reaktionen. Die Wirkung hängt stark von der Dosis, von der körperlichen und seelischen Verfassung des Konsumenten und der Tagesform ab. Unter der Berücksichtigung dieser Parameter sind die folgenden Wirkeffekte möglich:

  • Entzündungshemmung
  • Appetitanregung
  • Erweiterung der Blutgefäße
  • Antiallergisch
  • Angstminderung
  • Angstverstärkung
  • Euphorie und andere Veränderungen der Stimmungslage

Tetrahydro-Cannabivarin (THCV)

Tetrahydro-Cannabivarin (THCV) ist dem THC strukturell sehr ähnlich und auch psychoaktiv. Seine Wirkungen sind noch nicht sehr erforscht, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass sein Gehalt in der Cannabispflanze sehr gering ist. Es werden ihm entzündungshemmende und antiepileptische Eigenschaften zugesprochen. Mögliche günstige Einflüsse auf die Reduzierung der Glukoseintoleranz bei Diabeteserkrankten müssen noch wissenschaftlich abgeklärt werden.

Cannabidiol (CBD)

Das zweite Cannabinoid, das häufig in der Cannabispflanze zu finden ist, ist Cannabidiol. Obwohl es fast gleichzeitig mit THC entdeckt wurde, ist es lange Zeit von den Wissenschaftlern nicht beachtet worden. Das hängt damit zusammen, dass es keine psychotrope Wirkung hat und deshalb auf den ersten Blick wenig spektakuläre Effekte hervorruft.

Lesen Sie mehr: CBD vs THC: Wo liegt der Unterschied?

Seit den 2000er Jahren ist erstmals seine gesundheitliche Potenz in den Fokus der Öffentlichkeit getreten, vor allem durch die Verbreitung unzähliger Erfahrungsberichte von Benutzern über die modernen Medien. Seitdem hat es einen wahren Siegeszug angetreten und rückt auch zunehmend in das Interesse der Forschung. Einige kleinere Studien konnten seine Wirksamkeit bei spezifischen Erkrankungen nachweisen. In einigen Fällen hat das zur Zulassung als Arzneimittel geführt, in den USA zum Beispiel als krampflösendes Mittel bei MS und als Antiepileptikum beim Dravet Syndrom.

In Deutschland ist es seit 2017 in der Arzneimittelverordnung gelistet und kann bei schweren Erkrankungen oder starken chronischen Schmerzen vom Arzt verschrieben werden. Auch als Zusatz bei klassischen Krebstherapien kommt es zum Einsatz und hilft einerseits die Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen zu mildern. Andererseits haben viele betroffene Patienten festgestellt, dass es die schulmedizinische Versorgung sehr gut ergänzt. Manche Betroffene beschreiben sogar, dass sie die mit sehr starken Nebenwirkungen behafteten Krebsmedikamente reduzieren oder sogar absetzen konnten. Damit vereinigt CBD zwei entscheidende Vorteile. Es hat keine Rauschwirkung und fast keine Nebenwirkungen, aber ein riesiges gesundheitliches Potenzial, wie die folgende unvollständige Liste zeigt:

  • Schmerzlinderung
  • Entzündungshemmung
  • Stärkung der Immunabwehr
  • Neuroprotektion
  • Antidepressiv
  • Antipsychotisch
  • Angst lösend
  • Entspannend
  • Schlaf fördernd
  • Krampflösend
  • Antiepileptisch

CBD ist am CB 1-Rezeptor Antagonist von THC und Anandamid und deshalb in der Lage deren psychoaktive Wirkung zu dämpfen und zu regulieren. Am CB 2-Rezeptor und einigen anderen Rezeptoren, die wahrscheinlich auch dem Endocannabinoidsystem zugerechnet werden können, ist es agonistisch aktiv. Das erklärt wahrscheinlich sein großes Wirkungsspektrum.

Cannabidivarin (CBDV) und Cannabigerol (CBG)

Cannabidivarin (CBDV) und Cannabigerol (CBG) sind in ihrer chemischen Struktur dem CBD ähnlich. Daher könnte auch ihr Wirkungsspektrum das gleiche sein. Allerdings ist es bisher wenig erforscht, was wohl auch mit der geringen Menge in der Cannabispflanze zusammenhängt.

Cannabichromen (CBC)

Ein weiteres interessantes Cannabinoid scheint Cannabichromen (CBC) zu sein. Es ist selber nicht psychoaktiv, kann aber wahrscheinlich diese Wirkung von THC und Anandamid am CB 1-Rezeptor verstärken. In Tierversuchen wurde bereits nachgewiesen, dass es in Kombination mit THC schmerzlindernde und beruhigende Effekte hervorrufen kann. Das gesamte gesundheitliche Potenzial von CBC ist aber noch nicht bekannt und untersucht.

Andere Cannabinoide sind:

  • CBDA (cannabidiolic acid)
  • CBN (cannabinol)
  • CBL (cannabicyclol)
  • CBV (cannabivarin)
  • THCC (tetrahydrocannabiorcol)
  • THCP (tetrahydrocannabiphorol)
  • CBCV (cannabichromevarin)
  • CBGV (cannabigerovarin)
  • CBGM (cannabigerol monomethyl ether)
  • CBE (cannabielsoin)
  • CBT (cannabicitran)

Synthetische Cannabinoide

Synthetische Cannabinoide können vollsynthetisch oder halbsynthetisch aus Bestandteilen der Phytocannabinoide hergestellt werden. Sie werden vorwiegend in der medizinischen Forschung verwendet, um ihre Wirkung auf Hirnfunktionen zu überprüfen und daraus irgendwann auch Medikamente gegen neurologische Erkrankungen und andere gesundheitliche Probleme entwickeln zu können. Ihre Wirkungen scheinen denen von THC zu ähneln, die Potenz ist zum Teil aber deutlich höher. Die Herstellung synthetischer Cannabinoide ist nicht sehr kompliziert und deshalb auch für den illegalen Drogenmarkt interessant. Das konnten 2009 viele Konsumenten von „Spice“ feststellen, einer als Kräutermischung deklarierten Droge. Die Namen der meisten synthetischen Cannabinoide sind von ihrer chemischen Formel abgeleitet, zum Beispiel CP-55940, HU-210 und SR-141716A. Eine Ausnahme bildet Nabilon, das als Antiemetikum eingesetzt wird, um Nebenwirkungen bei der klassischen Krebstherapie zu reduzieren.

Fazit

Cannabinoide sind eine heterogene Gruppe von hochwirksamen Stoffen, die ihre Informationen über das sogenannte Endocannabinoid System verbreiten. Es gibt drei Cannabinoidklassen, die aus der Cannabispflanze stammenden Phytocannabinoide, die körpereigenen Endocannabinoide und synthetisch hergestellte Cannabinoide.

Einige der hormonähnlichen Substanzen haben eine psychoaktive Wirkung, darunter das sehr bekannte THC, das körpereigene Anandamid und die meisten synthetischen Verbindungen.
In den letzten 2 Jahrzehnten ist das gesundheitliche Potenzial in den Vordergrund gerückt vor allem von THC und dem nicht psychoaktiven CBD. Die positiven Erkenntnisse in diesem Bereich basieren vorwiegend auf Laboruntersuchungen und vielen Erfahrungsberichten von Nutzern. Einzelstudien belegen das, weitere wissenschaftliche Arbeiten müssen aber noch folgen, um das komplette Wirkspektrum aufzudecken.

Referenzen

Laezza, C., D’Alessandro, A., Paladino, S., Malfitano, A. M., Proto, M. C., Gazzerro, P., … & Endocannabinoid Research Group. (2012). Anandamide inhibits the Wnt/β-catenin signalling pathway in human breast cancer MDA MB 231 cells. European Journal of Cancer48(16), 3112-3122.

Wikipedia. Raphael Mechoulam. https://en.wikipedia.org/wiki/Raphael_Mechoulam

Chen, J. W., Borgelt, L. M., & Blackmer, A. B. (2019). Cannabidiol: a new hope for patients with Dravet or Lennox-Gastaut syndromesAnnals of Pharmacotherapy53(6), 603-611.

Hemppedia. Das Endocannabinoid System. (2018) – Hemppedia.org

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